Wohin mit dem Wohnheim für Individualisten...


war vorigen April eine der Fragen die im Klassengarten zur Entscheidung anstanden.  Denn für die Skripten zur Tiere im Garten Workshop-Reihe brauche ich eine Fotostrecke über den Bau eines Insektenhotels. Es gab keines in unserem ausgesprochen tierfreundlichen Garte, in dem alles, was im Insektenhotel an einem Ort zusammengefasst ist, auch vorhanden ist, aber eben verstreut. 

Die zweite Frage? "Werde ich die Winter-Blumenkästen im Herbst wieder bepflanzen, wenn ich die Blumenkästen mit den Sukkulenten einwintere? Gibt es eine andere, nachhaltigere Lösung, die gleichzeitig meine grünen Daumen schont*?"

Während meditativer Garten-Betrachtung zur Blauen Stunde wird mir bewusst: das Fenster um das es geht ist nach Südost ausgerichtet. Die Blumenkästen sind recht gross - und Platz ist in der kleinsten Hütte. Das Fenstersims ist in passender Höhe (empfohlen für kleinere Insektenhotel ist mindestens 1m Abstand vom Boden). Material ist vorhanden, das Insektenhotel kommt in eine Klein-Reihenhausanlage in die zwei mit der Öffnung nach vor gekippten Blumenkästen.
Insektenhotel in Balkonkasten
Hohle Stängel braucht es noch einige....

Der Bau

Verwendete Materialien und Werkzeug:
  • 3 sehr alte Lochziegel mit noch kleinen Löchern
  • Hartholzblöcke
  • Reste von modernen Hohlziegeln
  • Sand, Töpferton, Sägemehl (alternativ Reste von Lehmputz)
  • Grasschnitt (alternativ Holzwolle)
  • Geisterstrauch von der Winterbepflanzung
  • Markhaltige und hohle Stängel mit ausgeprägten Blattknoten
  • Alte Bambus(Tonkin)stäbe
  • Säge, Sägelade
  • Gute Gartenschere
  • Dünne Feile, Sandpapier

Die alten Lochziegel stehen bündig mit der Vorderkante der Kiste. Die Öffnungen der Rückseite sind mit Töpferton verschmiert, denn genauso wie wir wollen die Zuzügler keine zugigen Ecken. Astabschnitte ohne Blattknoten können auch mit ein wenig Lehm verschmiert werden (erste Reihe im Bild)
Lehm'wand' - ein Versuch
Pseudolehmwand, als Versuch: dafür ist alter Töpferton mit etwas Sand und relativ viel Sägemehl abgemischt (Bild oben, zweite Reihe) und in eine alte halbe Erdbeerspanschachtel gedrückt. Ich wusste natürlich nicht, ob nach dem Trocknen die Mischung lehmartige Konsistenz haben würde (mit dem Fingernagel kann Material abgekratzt werden), daher habe ich Gänge in den Block gedrückt. Die helfen auch beim Durchtrocknen (an einem schattigen Ort, seeehr langsam durchtrocknen, sonst entstehen Risse). Das Material ist zwar zu hart für eine 'echte' Lehmwand, der block wurde aber trotzdem sehr rasch angenommen (Bild oben, dritte Reihe)

Das Vorbereiten vom Stängelwerk braucht Zeit: ein Schnitt hinter einem Astknoten sichert den richtigen Abschluss der Wohnröhren. Die Vorderkante ist nicht geschnitten, sondern durch Hin- und Herdrehen unter leichtem Druck abgelängt (wird geschnitten, splittert der Rand durch den Druck).
Anschließend geht’s mit der spitzen Backe der Schere oder einer dünnen Feile ans versäubern (Bild unten, erste beide Reihen), denn wer will sich schon die Flügel verletzen beim Rein- und Rausgehen aus der Wohnung? Die Stängel werden in die Löcher vom modernen Hohllochziegel eingeschlichtet.
Ganz ähnlich bei den Hartholzklötzen, die Kanten Bohrungen mit 2mm und  4mm sind mit der Feile versäubert (Bild unten, dritte Reihe). Anmerkung am Rand: es werden auch die Bohrungen in den kurzen Blöcken als Wohnung angenommen.
 Hinter einigen dieser Bauteile bleibt ein Hohlraum. Der ist mit Grasschnitt ausgefüllt, der Spalt zwischen altem Ziegel und Oberkante Kiste ist dicht mit Geisterstrauchtrieben (Leucophyta syn. Calocephalus brownii) ausgefüllt (Bild unten, dritte Reihe).

Leute im Hotel
Goldwepse
winzige Goldwepse auf Schinus molle (Sichuanpfefferart)
Der Zuzug in so guter Lage war rasch, zu den ersten gehörte übrigens eine kleine Zebraspringspinne. Gleich in der ersten Saison stellten sich ausser Solitärbienen auch ihre Nutzniesser, wie die Goldwespe (Bild oberhalb), ein.
Die Artenbestimmung der oft winzigen Hotelwbewohner ist für Laien wie mich sehr schwierig. Auf alle Fälle gab es Mauerbienen, Löcherbienen, eventuell Seidenbienen, sowie Grabwespen, Keulenwespen, Faltenwespen (französische Feldwespen haben auf der schattigen Rückseite der Blumenkiste, also dem Fenster zugewandt, ihr papierenes Nest gebaut, faszinieren zu verfolgen durch die Saison), Goldwespen, sowie Springspinnen, Jagdspinnen, Dickkopffliegen und Fleischfliegen. Im Bild zu sehen
Erste Reihe: Bienen, rechts aussen wahrscheinlich eine Mauerbiene.
Zweite Reihe: Wespen, links aussen wohl eine Keulenwespe
Dritte Reihe: Zebraspringspinne, Fleischfliege, Dickkopffliege, alle drei Nutzniesser ('Schmarotzer') der Hotelbewohnerinnen.

Fazit: die Übung hat sich ausgezahlt, das Hotel wird gebucht und ich grinse wie ein Hutschpferd. Das Kommen und Gehen ist für mich sehr spannend, das fotografieren einfacher.

 
Ein Insektenhotel in einer Blumenkiste ist balkontauglich und sogar für Stadtfensterbretter geeignet. Einzig Futterpflanzen für Bienen und eine Population, aus der die Kleinen zuzihen können, müssen in der Nähe vorhanden sein.

Ein besonderes Danke an dieser Stelle dem Klassengartensprössling, der bei den Bauarbeiten so viel geholfen hat :*

Infos im Netz
Jeremy Early: Tiere am Insektenhotel (englisch)
Bund Bayern: Bauanleitung Insektenhotel (Pdf)

Wenn Sie das Thema interessiert, plane ich gerne mit Ihnen ein massgeschneidertes Insektenhotel für Ihren Garten (mein Angebot). Ideen finden sich in meiner Bildsammlung interessanter Projekte

Nachtrag März 2016:
wichtige Ergänzungen, danke an die Mitglieder der Facebookgruppe 'Der Naturgarten'
1) die Hohlziegel können 'leer' nicht verwendet werden, sie dienen hier nur als Lager für die Stängel, mittlerweile voll befüllt.
2) ob so kleine Holzklötze, die seit jahren lagern, am Stirnholz angebohrt werden können, ohne zu reissen, ist nicht ganz klar. Ich berichte, was sich heuer tut.


Nachtrag Juni 2018:
ein sehr gutes Interview mit Werner David, das mit einigen Irrtümern aufräumt Nisthilfenirrtümer - Top 5

Kommentare

  1. Hallo Brigitte,
    eine tolle Artenvielfalt hast du da im Garten - die Nisthilfe kann sich ja auch sehen lassen.
    Könnte die Biene auf dem ersten Bild der großen Collage Osmia caerulescens sein?
    VG
    Elke

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    1. Liebe Elke,
      ja die artenvielfalt ist gross bei uns im garten - natürlich profitieren wir da von der ortsrandlage. Und Du bestätigst meine vermutung, mit Osmia caerulescens :D. Ich werde mich eventuell in einem einschlägigen forum anmelden, und um bestimmungshilfe bitten. Allerdings sind es mittlerweile sehr viele critters, die ich nicht zuordnen kann (mir würde ja schon sandbiene / grabwespe / ... reichen).

      lg, Brigitte

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  2. Liebe Brigitte,
    toll, was bei dir so alles eingezogen ist. Aber du bietest ja wirklich ein Sechs-Stern-Quartier an! Ich denke ich suche dann einmal dein Töpferton .... :)! Danke für's anschubsten, ein Hummelhaus ist schon fertig.
    Schönes Wochenende
    Elisabeth

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    1. Liebe Elisabeth, ich merke gerade, ich habe auf Deine lieben worten noch gar nicht geantwortet! Hast Du töpferton bekommen? Am besten wären reste von einer/m keramikerIn. Ein richtier Lösswandersatz ist es natürlich nicht, aber sie mögen die miniwand trotzdem gerne.
      Wie ging es den hummeln?

      liebe späte grüsse
      Brigitte

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  3. Ein Luxushotel im Blumenkasten!
    Liebe Brigitte eine tolle Idee und alles wie immer profesionell erklärt :)
    Einen schönen Sonntag, Petra

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    1. boutiquehotel, fiel mir da spontan ein, zu luxushotel aber so klein ;D.
      danke für die lieben worte!
      Brigitte

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  4. danke für die Idee der "Reihenhaussiedlung" :)
    Herzliche Gartengrüße aus dem Spessart sendet dir Birgit

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